Mittwoch, 25. Oktober 2017

Schreiben

Dieser Mittwoch ein Erfolgstag. Die Redakteurin von  Focus online schickte mir den Link auf meine Geschichte. Das tut gut. Als Autor brauche ich Anerkennung, wie jeder andere Mensch auch, der sich angestrengt hat. Als Journalist brauche ich ein Feedback, heute mehr denn je, weil ich ja über keine Sendezeit mehr verfüge, so wie im Berufsalltag.

http://www.focus.de/gesundheit/experten/inkontinenz-bei-maennern-unkontrollierter-harndrang_id_7752026.html

"She made my day". Andere freuen sich über steigende Aktienkurse oder ein gelungenes Konzert als Erster Geiger. Ich werde weiter schreiben, wenn auch vieles  im Papierkorb endet. Hier in meinem paradiesischen Garten habe ich Muße. Der Besuch der Meerkatzen lenkt nicht ab, sondern regt zu neuen Gedanken an.

Sonnenuntergang. Wolken kuendigen Gewitter an.
 
Als ehemaliger Redakteur weiß ich, dass Beiträger gekürzt werden. Da ich keine Wort- und Zeichen Vorgabe hatte, habe ich drauf los geschrieben.

 
Hier nun mein Beitrag, meine Anmerkungen zum Thema „Unkontrollierter Harndrang“ bei älteren Männern, die, wenn sie  z.B. in Erfurt, Hannover oder auch Stuttgart erwischt werden, für ihre Not mit bis zu 5000 Euro bestraft werden.
https://www.bussgeldkatalog.org/wildpinkeln/
Wenn Sie noch Fragen haben, dann schreiben Sie mir bitte. Telefonisch bin ich nicht zu erreichen, weil ich in Swasiland schreibe.
Ich freue mich darauf,  wenn ich wieder ein wenig zur Aufklärung beitragen konnte.
Mit herzlichen Grüßen
FWZ
PS: Als Anhang finden Sie zwei Fotos, Symbolbilder. Ein Senior als Spontan-Pinkler im Vorgarten einer Stadt.


Gastbeitrag zum Thema „unkontrollierter Harndrang“ bei Männern.
„Er riecht wie ein alter Mann“, das ist wahrlich kein Kompliment. Anders dagegen, wenn man über ihn sagt: „Der Alte riecht nach Geld“.
„Er riecht nach altem Mann“ ist negativ. Will heißen: Er riecht nach Urin.
Ich möchte der Frage nachgehen:  Wie kommt das?
Einen gesunden Mann mit 65 oder 70 Jahren würde man in unserer Gesellschaft nicht ohne weiteres als alten Mann bezeichnen.  Der Spruch vom „alten Mann“ stammt aus einer Zeit,  als die meisten Männer mit 50 oder gar 60 wirklich verbraucht und häufig krank waren. Ein heute 70-Jähriger würde sich diese Alterseinordnung verbieten. Geblieben aber ist der Spruch. Ein 55-Jähriger, heute in der Blüte seines Lebens, auf dem Höhepunkt seines beruflichen Erfolges, muss gelegentlich feststellen, dass ihm ein ungewohnter Harndrang zu schaffen macht. Er kann es sich nicht erklären, warum er beim Wasserlassen plötzlich Schwierigkeiten hat und aus der Harnröhre noch ein paar Tropfen nachfließen. Urin tröpfelt in die Unterhose. Nachts muss er häufiger auf die Toilette. Ein Organ, eine Drüse unterhalb der Blase macht ihm zu schaffen. Er kann sie nicht benennen, weil er sich darüber noch keinen Kopf gemacht hat. Erkundigt er sich bei seinen Freunden, vielleicht sogar beim Arzt, dann hört er zum ersten Mal das Wort Prostata. Ja, wenn er mit diesen neuen Schwierigkeiten zum Arzt gehen würde, zum Hausarzt oder vielleicht gleich zum Urologen, der würde ihm seine Prostata erklären. Die möglichen Ursachen, was da passiert. Doch der deutsche Mann geht nicht zum Arzt, die meisten jedenfalls suchen keinen ärztlichen Rat. Urinverlust gibt es ihrer Wahrnehmung nur bei älteren Frauen. Außerdem als Tabuthema mit Scham besetzt.
Freunde raten ihm,  jetzt Kürbiskerne zu essen, Granatapfelsaft zu trinken.
Und damit sind wir beim Thema: unkontrollierter Harndrang im Alter, obwohl man doch gar nicht alt ist, sich nicht alt fühlt. Neben dem gefühlten Alter gibt es auch noch das biologische Alter. Der Körper altert. Die Prostata altert. So wie die Haare entweder ausfallen oder langsam grau werden, die Augen eine Brille brauchen, beides sichtbare Prozesse. Die Prostata verändert sich langsam, unbemerkt aber fühlbar.
Die Funktion meiner Prostata erklärte mir mein Urologe am Beispiel einer Kastanie, von der Größe etwa. Mitten durch sie hindurch fließt der Urin in der Harnröhre zum Penisausgang. Für die Veränderung mit zunehmendem Alter, dem Prozess des Wachsens, passt das Kastanienbild nicht so recht. Wir wissen, wie Kastanien wachsen, bis sie als reife Frucht aus der Schale herausfallen und langsam trocknen, schrumpeln. Hier muss ein neues Bild helfen. Wie wäre es mit einer kleinen Tomate, die am Strauch wächst und größer wird. Für das steigende Volumen wäre Platz im Unterbauch. Aber diese Prostata-Tomate dehnt sich nicht nur im Umfang aus, sondern auch im Inneren. Hier beginnt die Schwierigkeit: Das Wachstum drückt auf die innen liegende Harnröhre. Dieser Kanal wird zunehmend enger und lässt nicht mehr so viel Urin durch wie gewohnt. Beim Wasserlassen bleiben größere Harnmengen in der Blase, sodass sie schneller wieder vollläuft. Nerven aus der Harnblasenwand melden dem Gehirn, wenn ein kritischer Füllstand erreicht ist.
 
Ich musste so weit ausholen, um die Funktion und den Harndrang zu erklären. Alle Vergleiche hinken. Die Harnröhre kann irgendwann sogar völlig blockieren. Auf die Frage, warum das so ist, gibt es noch keine Antwort. Warum fällt beim Mann im Alter das Kopfhaar aus? Warum sprießen gerade die  Augenbrauen einiger Männer zu üppiger Größe? Selbst auf diese banalen Sinnfragen gibt es noch keine befriedigende Antwort.
Die älteren Leser können sich an die Expo2000 in Hannover erinnern. Aber wahrscheinlich vor allem an den damals „skandalösen“ Vorfall, als Prinz Ernst August von Hannover an einer Rückseite des türkischen Pavillons urinierte. Vom Pinkel-Prinzen war damals die Rede. Alle (ich auch) sagten Pfui!
Heute gibt es mehr von diesen prominenten Wild-Pinklern, wie sie genannt werden. Und ihre spontanen Handlungen werden wieder skandalisiert. Dennoch „outen“ sie sich anschließend und bekennen sich zu ihrem plötzlichen, unkontrollierten Harndrang: Harry Wijnvoord, Zachi Noy, Gérard Depardieu und andere.
Wilde Pinkler so werden sie von Kommunalpolitikern genannt, bereiten den Ordnungsämtern große Sorgen. Gebühren bis zu 5000 Euro werden schon festgeschrieben. Ich spreche hier vom Alltag, von Senioren- oder Spontanpinklern, nicht von organisierten Besäufnissen, die die Kommunen regelmäßig tolerieren und genehmigen. Die volle Blase eines 30-Jährigen nach drei Litern Bier braucht Toilettenwagen auf dem Festplatz. Kostenlos, denn die Steuern aus dem gewerbsmäßigen Betrinken sollten einen freien Zugang zum Pissoir ermöglichen.
Vor meiner Prostata-Operation ging es mir genauso. Plötzlich konnte ich den Urin nicht mehr halten.  Musste mich irgendwo entleeren. Eine Hausecke, ein Busch, nur nicht in die Hose. Auf dem Weg zum Theater. Die Situation war mir sehr unangenehm, meiner Partnerin mehr als peinlich.
Würde mich heute einer dabei erwischen und anzeigen, ich würde dem Amtsrichter meine Not erklären: „Ich konnte nicht mehr einhalten. Der Harndrang kommt ganz plötzlich. Dann melden sich bereits die ersten Tropfen. Ich muss jetzt sofort pinkeln – sonst geht alles in die Hose.“
So, oder so ähnlich, sähe meine Verteidigung aus. Und wenn der Richter über 50 Jahre alt wäre, dann würde er mich verstehen. Sonst bringe ich ein ärztliches Gutachten, in dem bescheinigt wird, dass mir meine Prostata und Blase erhebliche Probleme bereiten.
Das wäre ein spektakulärer Prozess für die Medien. Diese würden dann endlich fordern, die Gemeinde möge mehr öffentliche Toiletten im Straßenraum aufstellen. Das Modell der Altberliner Pinkelhäuschen (Zille lässt grüßen) könnte plötzlich wieder ins Gespräch kommen? Natürlich angepasst an moderne Hygienevorschriften.
Ich spreche hier für die Männer, die aufgrund ihres Alters Blasenprobleme und Harndrang haben. Urologen geben Empfehlungen, wie man(-n) sich verhalten sollte. Doch wer von den Männern geht schon bei nächtlichem oder täglichem Harndrang zum Arzt? Deswegen wird er immer wieder überrascht, wenn es plötzlich drängt und tröpfelt, er den Urin nicht mehr halten kann? Die Golfspielern in den USA haben einen klugen Spruch: „Never miss a piss!“ Heißt übertragen, man(-n) sollte immer eine öffentliche Gelegenheit zum Pinkeln wahrnehmen, bevor man(-n) auf den Golfplatz geht. Das gilt auch für mich, wenn ich das Haus verlasse – und nach einem längeren Ausflug ins städtische Abenteuer, eine Toilette sehe.
Dass ich erst aus Erfahrung klug wurde, liegt in der Natur des Mannes. In meinem Buch beschreibe ich einen Ausflug nach Argentinien, zu den Wasserfällen von Iguazu.
Der Teufel hat seine Hand im Spiel, genau am Schlund zur Hölle, in Argentinien, kann ich das Wasser nicht mehr halten. Der Iguazú Wasserfall mit dem „Garganta del Diablo“ ist der spektakulärste Punkt auf meiner Reise. Der Ausflug endete früher als geplant. ... In der anhaltenden Drängelei auf der Plattform kann ich mich nicht konzentrieren. Und dann ist da noch ein Drängen in der Blase.
Der verbliebene Schließmuskel hält nur schwach. Ich muss eine Toilette finden. Zurück! Dorthin, zum Beginn des Laufstegs, wo ich eine Toilette sah. Auf dem Weg merke ich, wie lang dieser Steg ist (später lese ich: 1,2 km) Ich kann den Urin nicht mehr halten. Er fließt, wenn auch nicht in Strömen, aber unaufhaltsam in die Hose. Die hell-grüne Leinenhose verfärbt sich sichtbar dunkel, vorne wie hinten. In den Gesichtern der mir entgegenkommenden Menschen kann ich ja nicht lesen, was sie denken. Peinlich ist es allemal. Ich erreiche die Toilette mit Müh und Not. Den Rest in der Blase kann ich im Urinal noch entleeren. Entspannt, entkrampft, schüchtern, muss ich nun einen Platz an der Sonne finden.
Irgendwann musste es einmal passieren. Ich war mir zu sicher geworden. Eine dumpfe Ahnung begleitet mich immer. Heute im Argentinischen Urwald, unwissend, auf welche lange Tour ich mich einlasse, hatte ich normal gefrühstückt: Obst, zwei Tassen Kaffee und ein Glas Wasser. Sonst bin ich vorsichtig, zurückhaltend beim Trinken, wenn ich über drei Stunden keine Toilette in der Nähe habe. Das also war die Stunde der Wahrheit. Das tägliche Leben mit einer verkleinerten Blase und nur einem Schließmuskel ist nicht normal.
Das Gefühl der Peinlichkeit war größer als der eigentliche Schaden. In tropischer Sonne trocknet die Hose, während ich schreibe. Ich drehe mich um die eigene Achse, abgeschieden vom Touristenstrom hinter einer Mauer. Wenn ich das Auto und meinen Reiseführer am Eingang des Nationalparks erreiche, dann wird er nichts mehr merken. In der Reisetasche habe ich die Reserveunterhose für den nächsten Tag. Alles wird gut.
Mein Tipp: Wenn’s in unbekannte Abenteuer geht, immer jede Toilette vorher besuchen. Bei Flügen in kleinen Maschinen und bei Bootsfahrten ohne Toilette kenne ich den Trick. Hier am „Schlund der Hölle“ habe ich mich überlistet. Wie beneide ich die Forscher, Entdecker, Abenteurer, die ohne Laufsteg vor mir hier waren. Die konnten sich einfach in „die Büsche schlagen“, wenn sie den Drang verspürten. Heute hinderte mich daran ein 1200 Meter langer Zaun neben dem Laufsteg. Blicke aus hunderten von Augen, die schon am frühen Morgen mit ihren Kameras allzeit bereit sind. Da muss ich mir doch echt in die Hose machen.
 
Ich hätte es wissen müssen, denn der Urologe, der mich operiert hatte, sagte mir noch auf dem OP-Tisch: „Jetzt, wo der Blasenschließmuskel dicht ist, müssen Sie wieder Pipi-Machen lernen wie ein Kind!“  Ich spreche hier von dem Extremfall einer OP nach der totalen Entfernung der Prostata wegen eines Tumors. Doch nicht jedes Prostata-Problem ist gleich auch der Verdacht auf Krebs. Meistens ist es die harmlosere Variante, weil die Vorsteherdrüse wächst.  Die Fließgeschwindigkeit des Harnstrahls nimmt ab. Reste des Urins können in der Blase bleiben. Mann hat das Gefühl, sie wird nicht mehr richtig leer. Es gibt da viele Möglichkeiten, die unangenehmen Beschwerden zu behandeln. Der Urologe kennt sie und benennt sie.
Offenbar weicht das Tabu langsam auf. Der Mann akzeptiert, dass nicht nur seine Frau ein Kontinenz-Problem im Alter bekommt. Es muss ja nicht gleich das Schlimmste sein. Die Angst vor der Inkontinenz kommt erst, wenn der Arzt einen Karzinomverdacht untersuchen lässt. In den meisten Fällen stellt der Urologe eine so genannte gutartige Hyperplasie der Drüse fest. Und wenn er ein sehr guter Urologe ist, dann findet er auch eine Lösung gegen den unangenehmen Geruch des Nachtröpfelns. Denn alte Männer gibt es nicht mehr, und wenn, dann riechen sie heute nach Lebenslust.
 
 

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